Kumru – eingeliefert in unsere Kastrations-und Unfallklinik am 09. August 2024

Liebe Freundinnen und Freunde von Pro Animale,

wahrscheinlich haben Sie in den vergangenen Wochen die Schlagzeilen über den höchst problematischen Gesetzesentwurf des „neuen türkischen Tierschutzgesetztes 2024“ verfolgt, wonach es auf den Straßen der Türkei keine Straßenhunde- und katzen in Zukunft mehr geben soll. Trotz massiver Proteste Tierschützender in der Türkei und ganz Europa wurde das Gesetz am 1.August tatsächlich vom türkischen Parlament verabschiedet. Es bezieht sich sowohl auf Hunde als auch auf Katzen, wird aber in der Realität in erster Linie auf Hunde angewandt werden.

Worum geht es?

Das Gesetz verpflichtet die Kommunen, streunende Hunde einzufangen und sie in „Tierheimen“ unterzubringen. Hier sollen sie geimpft, kastriert, gechippt und dann zur Adoption freigegeben werden. In der Türkei gibt es nach Angaben der Behörden rund 4 Millionen Straßenhunde. Platz in den wenigen bestehenden türkischen „Tierheimen“ ( besser Hundelagern), die ohnehin schon überfüllt sind, gibt es aber für gerade einmal 100.000 Hunde, und die Adoptionschancen für Hunde innerhalb der Türkei sind minimal. Wenn die Adoption nicht in einer Frist von 30 Tagen erfolgt, sollen die Tiere euthanasiert werden.
Ohne Zweifel handelt es sich bei diesem Gesetz also um ein todbringendes Scheinkonstrukt, da keine Gemeinde in einen ohnehin zum Tode verurteilten Hund noch Kosten für Kastration, Chip und Impfung investieren wird!
Weiterhin besagt das Gesetzt, dass kranke und als gefährlich eingestufte Hunde sofort euthanasiert werden sollen. 814 Kommunen haben überhaupt kein Tierheim.

Durch vehementes, mediales In-Szene-Setzen von Vorfällen, in denen Menschen von Straßenhunden angegriffen wurden und leider in der Türkei noch immer vorkommenden Tollwutfällen, wird in der Bevölkerung bewusst Angst geschürt. Die Menschen sind von der Hetze gegen die vermeintlich bösartigen und gefährlichen Straßenhunde getriggert. So übergibt das neue Gesetz de facto den Gemeinden die alleinige Verantwortung für ihre Straßentiere.
Dieses Zusammenspiel hat tatsächlich das Potenzial, eine vollkommen entfesselte Gewalt an den Tieren auszulösen.

Die Umsetzung des neuen Gesetzes wird ein beängstigendes, grauenvolles Szenario für die Tiere zur Folge haben

Gibt es Widerstand?

Ein Großteil der Bevölkerung, alle türkischen Tierschützerinnen und Tierschützer und alle parlamentarischen linken Parteien sind Gegner dieses Gesetzes.

Der Parteichef der Oppositionspartei CHP hat eine öffentliche Proklamation herausgegeben, nach der ALLE von der CHP regierten Gemeinden sich dem neuen Gesetz widersetzen werden und weder Hunde einfangen und schon gar nicht Hunde, die bereits in „Tierheimen“ sind, euthanasieren werden.
Vor wenigen Tagen wurden ein 180-seitiges Dossier, eine Gegenklage von der Rechtsanwaltskammer in Istanbul sowie eine Klage der Oppositionspartei CHP, auf den Weg gebracht. Diese fechten die Tierschutzwidrigkeit und Undurchführbarkeit des Gesetzes an und weisen entschieden auf gravierende juristische Fehler hin. Dies ist der Auftakt zu einer Rechtsklage zur Aufhebung des jetzigen neuen Gesetzes, das prinzipiell durchaus noch zurückgezogen werden kann.

Was können wir tun?

Wie Sie wissen, sind wir eng verbunden mit den Straßentieren der Türkei – sind wir doch seit 30 Jahren täglich für sie auf türkischen Straßen in intensivem Einsatz.
Wir unterhalten in der Türkei heute unter Leitung unserer unvergleichlichen Nilgün Varos 3 Tierherbergen, in denen wir über 1000 aus höchster Not geretteten Tieren Heimat und gesichertes Leben schenken. Wir betreiben außerdem eine Unfall- und Kastrationsklinik für Straßentiere, an 365 Tagen im Jahr geöffnet, in der wir von Mai 2008 bis August 2024

32 146 Kastrationen von Katzen
7 376 Kastrationen von Hunden
253 Amputationen
163 Tumoroperationen
und
2 367 Unfall-Operationen
neben durchschnittlich täglich 120 therapeutischen Maßnahmen durchgeführt haben.

Mit Blick auf diese Zahlen kann man schnell erkennen, WIE VIEL Leid hier sowohl für ungeborenes Leben verhindert als auch für das individuell behandelte Tier gelindert werden konnte.

Eine nachhaltige und langfristige Lösung für das Problem der Straßentiere kann nur durch großflächige, konsequente und gut strukturierte Kastrations- und Versorgungsprogramme der existierenden Tierpopulationen in ihren angestammten Gebieten erreicht werden.
Dabei sollte unbedingt nicht nur ein Neuter- and Release- (Kastrieren und wieder Freilassen), sondern auch ein anschließendes, lebenslanges After-Care-Programm (Versorgung und tiermedizinische Fürsorge) für die Tiere in ihren Gebieten praktiziert werden.

In der Gemeinde Altinoluk realisiert unsere Nilgün Varos bereits seit vielen Jahren ein genau solches Programm und zeigt, wie positiv, effektiv und friedvoll die Auswirkungen für Tier und Mensch sein können. Es ist Nilgüns Einsatz zu verdanken, dass unsere Klinik sich zu einer von der Gemeinde und den Bürgerinnen und Bürgern außerordentlich wertgeschätzten Institution des Tierschutzes etabliert hat.
Unser Neuter-Release-and-After-Care – Programm für Straßenhunde ist in der Gemeinde derart akzeptiert, dass die Hunde, die von Nilgün und ihrem Team eingefangen, kastriert, geimpft und mit Ohrmarke versehen werden, auch wieder an ihre angestammten Plätze entlassen werden und von uns an insgesamt 18 Futterstellen betreut werden dürfen. Wir füttern dort täglich rund 90 Hunde und 400 Katzen. Diese Tiere stehen also unter einem ständigen Monitoring durch Nilgün, sie werden auch jährlich geimpft – und mehr noch: Die Bürgerinnen und Bürger von Altinoluk beteiligen sich an der Fürsorge dieser auf der Straße lebenden Hunde und Katzen. Sie füttern zusätzlich und benachrichtigen Nilgün, sobald sie beobachten, dass eines der Tiere Krankheitszeichen zeigt.

Karma – eingeliefert am 19. August 2024 in unsere Klinik

An dieser Stelle möchten wir unserer Nilgün das Wort überlassen, ist sie doch seit über 30 Jahren TÄGLICH auf den türkischen Straßen bei den Tieren:
Das seit ewigen Zeiten ertragene Leid der Straßenhunde – und katzen in der Türkei ist für viele von Ihnen kaum vorstellbar, es ist entsetzlich und grausam.
Die Lebenserwartung eines Straßenhundes in der Türkei beträgt durchschnittlich höchstens 2 Jahre und das sind Jahre gezeichnet von Hunger und Durst, Jahre brutaler Verelendung verursacht durch parasitäre Erkrankungen, Infektions- und Viruskrankheiten oder besiegelt durch den Tod auf der Straße.
Überall dort, wo Hunde in der Zukunft nicht auf der Straße leben können, überall dort, ist die einzig tatsächliche Hilfe für die Straßenhunde die Einrichtung von Zufluchtsorten – ich stelle mir hier im Sinn von Reservaten großflächige natürlich strukturierte eingehegte Areale mit Baumbestand vor, in denen die kastrierten und geimpften Hunde sich frei bewegen, unbehelligt von Anfeindungen durch den Menschen, jedoch von ausgebildeten Hundepflegern betreut in Frieden leben können.
Man muss Verantwortung übernehmen – so wie unsere Pro Animale Freunde und wir, die Protagonisten von Pro Animale, dies über Jahrzehnte bewiesen haben, in diesem Fall Verantwortung für Hunde über mindestens 17 Jahre. Das kostet viel finanzielle Mittel (Einzäunung, Pfleger, Pflegerhaus, medizinische Hilfe ) und nicht zuletzt viel Durchhaltevermögen. Aber es ist das einzige, den Hunden individuell und nachhaltig zu helfen.“

Der für Altinoluk zuständige Bürgermeister von Edremit hat uns seine absolute Unterstützung und Solidarität für die Hunde zugesagt. Wir werden weiterhin Tag für Tag alles daran setzen, mit unserem karitativen Einsatz, unseren nachhaltigen, zukunftsfähigen und friedlichen Lösungen für die Tiere voranzugehen – unsere langjährige Erfahrung, unser 30jähriger Vor-Ort-Einsatz auf den türkischen Straßen und die unablässig von uns getragene Verantwortung für alle Tiere, die unseren Weg in dieser Zeit kreuzten, sollten Garant dafür sein.

Wie können Sie uns dabei helfen?

  • Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit in der Türkei mit Ihrer Spende! ALLES, was wir dort bewirken, ist abhängig von Ihren Spenden!
  • Bewusstmachung, Aufklärung und der Einsatz unserer Stimme für die Tiere ist wichtig. Bitte berichten Sie anderen Menschen von unserer Arbeit in der Türkei. Helfen Sie uns, unsere Arbeit in Altinoluk als Beispiel für einen tiergerechten, friedvollen und effektiven Umgang mit dem Problem der notleidenden Straßentiere bekannter zu machen! Erzählen Sie anderen Menschen davon, leiten Sie unseren Newsletter weiter, teilen Sie unsere Beiträge auf youtube, Instagram und Facebook.

Bitte spenden Sie jetzt.

Unser Spendenkonto:
Sparkasse Coburg Lichtenfels
IBAN: DE 33 7835 0000 0000 202010
BIC: BYLADEM 1 COB

Sehen Sie hier die Begegnung von Nilgün mit Kerime – einer alten, abgemagerten Hündin, die -ehemals vermutlich von Menschen als Wachhund „gehalten“- schließlich der Verelendung auf der Straße überlassen wurde:

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Außerdem möchten wir Ihnen folgende Petition für die türkischen Straßentiere ans Herz legen, der auch wir uns anschließen:
Hier geht es zur Petition.